Trotz schwerer Vorwürfe von sexualisierter Gewalt soll Till Lindemann 2025 in der Wiener Stadthalle auftreten – als wäre nichts gewesen. Ein Konzert unter diesen Umständen sendet nicht nur ein falsches Signal, sondern gefährdet auch die Sicherheit der Besucher_innen. Fordere jetzt von den Veranstalter_innen die Absage des Auftritts: Mutmaßliche Täter dürfen keine Bühne bekommen!
Schon im Mai 2023 berichteten mehrere Frauen öffentlich davon, bei Konzerten und Afterparties gezielt ausgewählt, manipuliert und sexuell missbraucht worden zu sein [1,2]. Und auch eine frühere Konzert-Mitarbeiterin schildert, wie junge Frauen für den Sänger bewusst gesucht und zu vermeintlichen Parties eingeladen wurden [2]. Es gilt die Unschuldsvermutung – aber auch die Verantwortung der Veranstalter_innen.
Zwar wurde das Verfahren gegen Lindemann eingestellt, allerdings nur weil die Betroffenen anonym bleiben wollten. Dafür kann es viele Gründe geben – z.B. Angst vor Hassnachrichten oder mangelnde Ressourcen für einen jahrelangen Prozess [3]. Die Einstellung des Verfahrens ist also nicht mit einem Freispruch Lindemanns gleichzusetzen. Ein Konzert unter diesen Umständen sendet nicht nur ein falsches Signal an Betroffene, sondern gefährdet auch die Sicherheit der Besucher_innen. Für uns ist klar: Die Stadthalle Wien darf mutmaßlichen Tätern #KeineBühne bieten.
Deshalb fordern wir: Das Till Lindemann Konzert in der Wiener Stadthalle muss abgesagt werden, solange die Missbrauchsvorwürfe nicht restlos aufgeklärt sind. Es liegt jetzt an den Veranstalter_innen Verantwortung zu übernehmen. Wenn sich genug Menschen unserem Appell anschließen, steigt der Druck auf die Verantwortlichen, Haltung zu zeigen. Unterzeichne jetzt den Appell!
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Die Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen ist kein Beweis für Till Lindemanns Unschuld. Die Ermittlungen wurden vor allem deshalb eingestellt, weil die Betroffenen anonym bleiben wollten und ihre Erfahrungen nicht zur Anzeige gebracht haben. Das ist nicht überraschend: Sexuelle Gewalt ist ein traumatisches Erlebnis. Für Betroffene ist die Hürde, Anzeige zu erstatten, oft hoch. Angst vor Schuldzuweisungen hält die meisten davon ab, sich überhaupt jemandem anzuvertrauen – geschweige denn, zur Polizei zu gehen. Das Ergebnis: eine extrem hohe Dunkelziffer. In Österreich werden nur 9 % aller Vergewaltigungen angezeigt [4]. Bei prominenten Tätern riskieren Betroffene zudem öffentliche Angriffe. Shelby Lynn war beispielsweise mit zahlreichen Hassnachrichten und Gewaltdrohungen konfrontiert – “Ein schlechtes Wort über Rammstein und ich bringe dich um.” [5].
Kunst und Künstler muss man trennen
Till Lindemann kann sich nicht länger hinter seiner Kunstfigur verstecken. Er muss sich mit der Wirkung auf reale Personen auseinandersetzen, vor allem wenn Fans sich verletzt oder manipuliert fühlen. Die Inszenierung als Kunstfigur schützt ihn nicht länger vor berechtigten gesellschaftlichen Diskussionen. Auch die Art, wie Lindemann auf die Vorwürfe reagiert hat – mit Klagsdrohungen, sich lächerlich machen durch Umtexten von Songs auf der Bühne – zeigt, dass es keine kritische Auseinandersetzung damit gibt.
Die Row Zero wurde doch verboten
Nur weil es den Bereich der “Row Zero” nicht gibt, bedeutet das nicht, dass die Einladungen nicht versendet wurden und dass die Besucher_innen des Konzerts sicher sind. Beim Konzert in München und in der Schweiz, die im Sommer stattgefunden haben, wurde die “Row Zero” verboten. Private Aftershowpartys gab es dennoch.
Jede_r kann selbst entscheiden, ob man da hingeht – sonst ist es Bevormundung
Natürlich kann jede Person selbst entscheiden, ob sie trotz der Vorwürfe das Konzert besuchen oder zu Aftershow-Parties gehen möchte. Nichts davon rechtfertigt jedoch sexualisierte Gewalt und die ungewollte Verabreichung von Drogen oder andere Straftaten. Betroffenen nun zu sagen, sie hätten doch wissen können, was dort passiert, gibt ihnen die Schuld, statt den Tätern, und das ist falsch. Sich einverstanden zu erklären, auf eine Party zu gehen, bedeutet bei Weitem nicht, sich einverstanden zu erklären, auf dieser Party sexualisierte Gewalt zu erfahren.
Wer zahlt die Kosten für eine Absage?
Was ist mit den Kosten bzw. dem Schaden, der mit diesen Konzerten in Kauf genommen wird? Was ist mit dem Schaden, den Betroffene und mögliche weitere Betroffene davontragen? Wer trägt hier die Verantwortung für die Anwaltskosten, Therapiemöglichkeiten und das Trauma. Nach #metoo und den vielen Fällen, die dadurch international ans Licht gekommen sind, können wir Veranstalter_innen nahelegen, sich über entsprechende vertragliche Absicherungen Gedanken zu machen. Für uns ist klar: Finanzielle Interessen sollten nicht über das Leid von Betroffenen und die Sicherheit von Konzert-Besucher_innen gestellt werden.
[2] Der Standard, 03.06.2023: Neue Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Lindemann
[3] spiegel.de, 30.08.2023: Rammstein: Warum die Ermittlungen gegen Till Lindemann eingestellt wurden
[4] Bund für autonome Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt Österreich, 2025: Sexuelle Gewalt an Frauen: einige Zahlen
[5] Instagram Shelby Lynn, 27. Mai 2025